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Kläranlagen / Klärschlammaufbereitung / Verfahrenstechnik
Bundesumweltminister Jürgen Trittin besucht neue Klärschlammaufbereitungsanlage in Gifhorn
 
Kläranlage Gifhorn - Erläuterung der neuen Klärschlammaufbereitung: Bundesumweltminister Jürgen Trittin, Bürgermeister Manfred Birth, Klärwerk-Betriebsleiter Norbert Bayerle und Elisabeth Wittig (links)Am 10.August 2005 empfing Gifhorns Bürgermeister Manfred Birth Bundes-umweltminister Jürgen Trittin auf der Kläranlage Gifhorn. Grund des Besuchs des Bundesum-weltministers war die zur Zeit in Bau befindliche Pilotanlage zur Klär-schlammaufbereitung, über die er sich eingehend informierte.
Ziel dieser neuen Technik in der Klärschlammaufbereitung ist, die wertvollen nur begrenzt verfügbaren Inhaltsstoffe, wie Phosphor, zu erhalten und in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. Mit dieser Anlage soll eine mögliche Alternative zur nicht unproblematischen Klärschlammverbrennung geschaffen werden, bei der diese knappen Ressourcen einer weiteren Nutzung entzogen werden. Die Inbetriebnahme der Anlage ist für den Herbst 2005 geplant.
 
Das Projekt im Überblick:
2003
Was geschieht bei der Klärschlammaufbereitung in Gifhorn?
Wie funktioniert die für
Gifhorn modifizierte Klärschlammaufbereitung?

2004
2005
Leistungen Planungsbüro Wittig
Das Projekt im Überblick

2003
 

Nach fast zweijährigem politischem Hin und Her und einem zähen Ringen um Fördermittel hat der Abwasser- und Straßenreinigungsbetrieb der Stadt Gifhorn (ASG) es 2003 geschafft, die Fördermittelzusage zu erhalten. Damit ist der Startschuss für den Bau der weltweit ersten Pilotanlage im Industriemaßstab gefallen. Bis dahin war es ein weiter Weg. Es gab Fördermittelzusagen und -absagen, politische Querelen und parteipolitische Entscheidungen, die nicht immer nachvollziehbar waren. Die endgültige Fördermittelzusage des Landes Niedersachsen über 4,2 Millio­nen Euro ist der erste Sieg, den die ASG zusammen mit den beiden Fachplanern, der Seaborne EPM AG und dem Planungsbüro Wittig, errungen hat. Tatkräftige Unterstützung leistet Herr von der Kammer - 2003 noch bei der Bezirksregierung Braunschweig. Weltweit erste Pilotanlage im industriellen Maßstab

 

4,2 Mio. Euro Fördermittel

Damit wird in Gifhorn der Weg beschritten, die wertvollen Inhaltsstoffe des Klärschlamms unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit und unter ökologischen Aspekten (Grenzwertdiskussion für Klärschlamm) in der Landwirtschaft zu nutzen. Als eine mögliche Alternative zu der absehbar teuren Einweglösung Klärschlammverbrennung (Quecksilberproblem) kann mit der neuen Klärschlammaufbereitung eine längerfristige Nutzbarkeit des Klärschlammes in der Landwirtschaft, besonders unter den Gesichtspunkten der begrenzt verfügbaren Phosphatvorkommen und des Bodenschutzes erreicht werden.
 
Alternative zur Klärschlammverbrennung
Was geschieht bei der Klärschlammaufbereitung in Gifhorn?

Bei der Aufspaltung des Klärschlammes in seine Bestandteile werden Schwermetalle entfernt und primäre Düngemittel produziert.

Wie funktioniert die für Gifhorn modifizierte Klärschlammaufbereitung?
 

Die zu realisierende Anlage besteht aus 2 miteinander verknüpften Anlagenteilen, deren chemische Zwischenprodukte bzw. Abfallstoffe untereinander synergetisch genutzt werden können. Das in den Faultürmen entstehende Biogas soll in Blockheizkraftwerken verstromt werden, die Abwärme wird als Prozesswärme benötigt. Im Herzstück der Anlage wird mittels Schwefelsäure bzw. dem noch mit schwefelwasserstoffbehafteten Gas aus den Faultürmen, der pH-Wert auf ca. 2,7 im Batch-Betrieb abgesenkt. Die Schwermetallionen werden gefällt. Nach diesem Schritt wird die Biomasse unter Zugabe von Natronlauge neutralisiert und über verfahrenstechnische Komponenten dem System entnommen, getrocknet und in einem Feststoffbrenner verbrannt. Die Düngemittelaufbereitung besteht aus einer komplexen Entwässerungseinheit, in der das vorher entstandene Metallammoniumphosphat-Gemisch (MAP) auf 66 % entwässert wird. Das Filtratwasser, das bei diesem Vorgang entsteht, wird über ein Nass­stripverfahren geleitet und das Ammonium in Form von Ammoniumsulfid herausgestrippt, dieses Ammoniumsulfid ist als sehr reiner Stickstoffdünger in der Landwirtschaft einzusetzen. Der nunmehr entwässerte sehr reine Phosphat-Rohdünger wird ausgeschleust und als Halbzeug in die Düngemittelindustrie verkauft. Das überschüssige Prozesswasser läuft der Kläranlage wieder zu und wird gereinigt. Die hierbei entstehende Mehrbelastung ist nicht nennenswert, da sie vor allem durch Überschussstickstoff entsteht, der wiederum in der Kläranlage von den Bakterien veratmet werden kann. Die Anlage ist für eine Kapazität von 140 m³/d ausgelegt. Planungsziel ist die Aufnahme des regulären Betriebes Ende 2005. Vorgesehen ist, dass die Seaborne EPM AG alle Leistungen die unmittelbar mit dem patentierten Verfahren zusammen hängen, also den gesamten Maschinen- und Rohrleitungsbau und die Verfahrenstechnik, bearbeitet. Das Planungsbüro Wittig, als langjähriger Planer der Kläranlage Gifhorn, ist für die Einbindung des Seaborne-Verfahrens in den Kläranlagenbetrieb, die Umgestaltung und Anpassung der Infrastruktur und für den Bau der erforderlichen Halle verantwortlich.
 

2004
 

Anlagenteile synergetisch verknüpft
Zum Jahresbeginn 2004 werden die ersten Bauleistungen, für die das Planungsbüro Wittig verantwortlich ist, europaweit veröffentlicht und ausgeschrieben (gesetzliche Vorgabe). Trotz der europaweiten Ausschreibung haben sich nur deutsche Firmen beteiligt und entgegen aller Befürchtungen sind die Aufträge nach eingehender fachlicher, wirtschaftlicher und formalrechtlicher Prüfung überwiegend an Firmen aus dem größeren Umkreis von Gifhorn vergeben worden, sodass die einheimische Wirtschaft von der Baumaßnahme profitiert.
 
Regionale Wirtschaft profitiert von Baumaßnahme - trotz EU-weiter Ausschreibung
Problematisch bei der Auswahl der Firmen und der Auftragsvergabe ist immer wieder, dass es sich um ein Pilotprojekt handelt und viele Fragen einfach nicht im Vorfeld beantwortet werden können. Im Rahmen des Planungsfortschritts wird die Pilotanlage zur Klärschlammaufbereitung in enger Zusammenarbeit von Auftraggeber, der Sea­borne EPM AG und dem Planungsbüro Wittig in einigen Verfahrensschritten gegenüber der ursprünglichen Planung mehrfach verändert und modifiziert. Die nun ausgeführte Umsetzung des Verfahrens bedeutet für den Bauherrn günstigere Bau- und Betriebskosten und einen wirtschaftlicheren Betriebsablauf. Dadurch ist auch eine Verkleinerung der Halle möglich geworden. Die ursprüngliche Planungsvariante, die alten Becken als Hallenkeller zu nutzen, wurde aufgrund der Verfahrensänderungen und dem damit einhergehenden geringeren Platzbedarf angepasst.
 
Günstigere Bau- und Betriebskosten durch Modifizierung der Verfahrenstechnik
Grundsteinlegung durch den niedersächsischen Umweltminister Sander und Gifhorns Bürgermeister Birth
Grundsteinlegung durch den niedersächsischen Umweltminister Sander und Gifhorns Bürgermeister Birth
Schalungsarbeiten für Betonplatten-Abdeckung der nicht mehr genutzten Belebungsbecken
Schalungsarbeiten für Betonplatten-Abdeckung der nicht mehr genutzten Belebungsbecken
Das Stahlskelett
Das Stahlskelett
Einbau der Wandelemente
Einbau der Wandelemente

 
Im Laufe der Planungsentwicklung werden dem Planungsbüro Wittig entgegen der ursprünglichen Beauftragung umfangreiche weitere Aufgaben übertragen. Im weiteren Verlauf des Jahres 2004 kommen dann die europaweiten Ausschreibungen für die von der Seaborne EPM AG geplanten Leistungen hinzu. Hier hat das Planungsbüro Wittig die europaweite Veröffentlichung und die formalrechtliche Prüfung für den Auftraggeber, die ASG, übernommen. Baubeginn, also erster Spatenstich, ist am 5. Juli 2004. Begonnen wird mit der Abdeckung der beiden nicht weiter genutzten Belebungsbecken. Im August 2004 kommt der niedersächsische Umweltminister Herr Sander zur feierlichen Grundsteinlegung für die Verfahrenshalle.
 
2005
 
Blick in die neue BetriebshalleUm für den Bauherrn und Betreiber, die ASG Gifhorn, die Investitions- und Betriebskosten zu reduzieren, wird das Verfahren nicht wie ursprünglich geplant eine Trockenstrippung, sondern eine Nassstrippung für die Düngerproduktion erhalten. Aus diesem Grund werden einige Lose aufgehoben und erneut europaweit ausgeschrieben.
Die Submissionen für die letzten verbleibenden Lose finden Anfang 2005 statt. Es zeigt sich, dass es für viele Maschinenhersteller schwierig ist, ihre Technik für ein Verfahren anzubieten, über dessen Produkte keinerlei Erfahrungen vorliegen.
Anfang 2005 beginnt der Aufbau der Verfahrenstechnik in der Halle.
Kostenreduzierung durch Nassstrippung
Die alten, nicht mehr genutzten, Belebungsbecken sind mit einer Betonplatte abgedeckt und die Halle darüber errichtet worden, sodass sie ebenerdig nutzbar ist. Unter der Betonplatte sind die ehemaligen Becken mit Wasser gefüllt. Diese Wasserfüllung hat gleich drei Vorteile. Erstens ist so während der Bauphase eine kostengünstige Auftriebssicherung gewährleistet, zweitens dient dieses Wasser im Brandfall als Löschwasserreservoir und drittens erzeugt dieser Wasserspeicher eine hervorragende wärmeregulierende Wirkung. Die gesamte Konstruktion der Halle einschließlich dem Bereich der thermischen Verwertung und der Leitwarte sind nach strengen Brandschutzvorgaben und den entsprechenden Explosionsschutzrichtlinien vom Planungsbüro Wittig geplant. Neben dem Hallenneubau für die Verfahrenstechnik sind weitere umfangreiche Baumaßnahmen zum Einbinden der innovativen Klärschlammaufbereitung in die vorhandene Kläranlage durch das Planungsbüro Wittig erforderlich.
 
Neue Halle auf Belebungsbecken errichtet
Leistungen Planungsbüro Wittig

Infrastrukturmaßnahmen:

  • Anbindung von Gas, Strom, Trinkwasser und Brauchwasser an das vorhandene Leitungsnetz
  • Löschwasserversorgung der Verfahrenshalle
  • Anschluss der Prozessleittechnik des Seaborne-Verfahrens mittels Lichtwellenleiter an das existierende Prozessleitsystem

Verkehrswegebau:

  • Schaffung einer neuen Zufahrt zum Betriebsgelände vom "Wiesendamm" aus
  • Spundwandbau zur Schaffung von entsprechenden Umfahrungsflächen am Nachklärbecken

Hallenbau:

  • Hallenbau auf zwei bestehenden nicht mehr genutzten Belebungsbecken, Bodenplatte als Brückenkonstruktion in Stahlbeton
  • Halle in Stahlskelettbauweise (Hallenlänge 43 m, Breite 38 m, Höhe 9 m), Wandverkleidung bestehend aus Sandwichpanellen, flach geneigtes Dach als Warmdach
  • Hallenlüftung nach thermischem Prinzip mit Zuluft über Außenwandjalousien und Abluft über Kombinationsgeräte (RWA)

Faulturm Umrüstung:

  • Erneuerung der Gashaube und der Gasführung
  • Einbau eines Schraubenschaufelmischers zur besseren Umwälzung
  • Neubau Schlammwärmetauscher für den thermophilen Betrieb (55 °C)
  • Neubau einer Fettannahme und Fettschmelze für 20 m³/d mit einer Fetterwärmung auf 40°C, für die notwendige Annahme von Fetten zur energetischen Optimierung des Verfahrens

Neubau Blockheizkraftwerk (BHKW):

  • Neuinstallation eines Blockheizkraftwerkes mit 342 kW elektrischer Leistung und Anschluss an das Heizungsnetz der Kläranlage
  • Neubau einer Verdichterstation mit einer Verdichtungsleistung auf 585 mbar
  • Verknüpfung und Anbindung an das bestehende Blockheizkraftwerk

Heizungssystem:

  • Planung einer Feststoffbrenner-Heizungsanlage mit 400 kW Gesamtleistung und dem Anschluss an das Thermalölsystem des Trockners zur Beheizung des gesamten Trocknungsvorgangs

Örtliche Bauleitung:

  • örtliche Bauleitung für die Planungsleistungen der Seaborne EPM AG
  • örtliche Bau- und Bauoberleitung für die Planungsleistungen des Planungsbüros Wittig

SiGeKo:

  • Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination für den Ingenieurbau und den Maschinenbau

 
Inzwischen ist alles auf einem guten Weg und die Beteiligten sind sich einig, dass der Termin für die Inbetriebnahme im Herbst 2005 eingehalten wird. Dies ist nicht zuletzt auf die Kompetenz und die gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, besonders dem Auftraggeber, vertreten durch Frau Hoppe und Herrn Bayerle (ASG) zurückzuführen. ewi

 

Inbetriebnahme: Herbst 2005


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